Die Homocystinurie ist eine relativ seltene angeborene Störung des Aminosäurestoffwechsels. Häufigste Ursache ist ein autosomal-rezessiv vererbter Defekt der Cystathionin-β-Synthase. Fällt dieses Enzym aus, ist der Syntheseweg von Cystein aus Methionin unterbrochen, was zur Anhäufung von Homocystein im Blutplasma und Homocystin im Urin führt.

Die Homocystinurie ist mit einer weltweiten Rate von Neuerkrankungen von rund 1:300.000 eine seltene Erkrankung. Ein vermehrtes Auftreten findet sich in Irland mit einer Rate von 1:65.000 Geburten. Die weltweit höchste Verbreitung hat die Erkrankung in Qatar mit einem homozygoten Fall auf 1.800 Neugeborene.

Homocystein kommt im Blut in drei verschiedenen Formen vor. 80–90 % sind beim Gesunden als Homocystein an Transportproteine gebunden. Die freie Fraktion besteht aus Homocystein verbunden mit Cystein, sowie als Dimer vorliegendes Homocystin, bei dem zwei Homocysteinaminosäuren über eine Disulfidbrücke verbunden sind. Die Höhe des Homocysteinspiegels im Blut und nicht die alleinige Präsenz einer Genmutation führt zur klinisch relevanten Ausprägung der Krankheit. Durch die erhöhte Blutkonzentration von Homocystein kommt es zu einer Schädigung der Gefäßinnenwand. Der genaue Mechanismus ist bisher noch unbekannt. Diese lässt sich bereits im Kleinkindalter als mangelnde Erweiterung des Gefäßes bei erhöhtem Durchfluss bei Homozygoten nachweisen. Infolgedessen kommt es zu einer sehr früh einsetzenden Arteriosklerose. Bei Heterozygoten ist der Mechanismus wie beim Gesunden erhalten.

Nach der Geburt sind die Kinder bis auf die charakteristischen Laborbefunde unauffällig. Vor dem zweiten Lebensjahr treten selten Symptome auf. Als häufigstes Symptom tritt ein Vorfall der Augenlinse auf. Dieser Befund ist bei 70 % der unbehandelten zehnjährigen Betroffenen feststellbar. Als frühestes Symptom tritt bei der Mehrheit der Patienten eine psychomotorische Retardierung bereits während der ersten beiden Lebensjahre auf. Diese ist irreversibel. Oft geht sie mit einer Kurzsichtigkeit einher. Ebenso besteht im Kindesalter bei der Hälfte der Patienten eine Osteoporose. In 30–60 % wurde ein charakteristisches, dem Marfan-Syndrom ähnliches Aussehen mit überlangen Röhrenknochen und Spinnenfingerigkeit beschrieben. Rund die Hälfte der Patienten entwickelt im Laufe ihres Lebens eine psychiatrische Erkrankung. Rund ein Fünftel leidet an einer Epilepsie.

Limitierend bezüglich der Lebenserwartung sind Thrombembolien, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Herzinfarkte sowie Schlaganfälle ausschlaggebend. Diese Symptome beruhen auf der Schädigung der Gefäße durch die erhöhten Aminosäurespiegel. Rund 30 % erleiden ein thrombembolisches Ereignis bis zum 20. Lebensjahr. Rund die Hälfte bis zum 30. Lebensjahr.

Die Therapie der häufigsten Form dieser Erkrankung besteht in der Umgehung der Stoffwechselblockade durch eine methioninarme und cystinreiche Diät mit der Zielsetzung einer Reduktion des Homocysteins und des Methionins im Blut. Bei geringer Aktivitätsminderung des defekten Enzyms kann eine Substitutionstherapie mit Vitamin B6 (Pyridoxin) – dem Kofaktor der Cystathionin-Synthetase – hilfreich sein. Andere Patienten sprechen auf Vitamin B6 nicht gut an. Die seltenen Formen sind oft durch eher normale oder niedrige Methioninwerte im Blut gekennzeichnet, sodass keine diesbezüglich restriktive Diät erfolgt. Zur Therapie kommen außer Vitamin B6 auch Folsäure, Vitamin B12 sowie Betain in Frage. Ferner werden zur Thromboseprophylaxe gerinnungshemmende Medikamente wie Acetylsalicylsäure eingesetzt. Die Prognose ist bei früher Diagnose und konsequenter Therapie insgesamt günstig.