Die Poliomyelitis, oft auch kurz Polio, deutsch (spinale) Kinderlähmung oder Heine-Medin-Krankheit genannt, ist eine von Polioviren vorwiegend im Kindesalter hervorgerufene Infektionskrankheit. Sie befällt Motoneurone und bleibt in einer großen Anzahl der Fälle symptomlos, kann jedoch auch zu schwerwiegenden, bleibenden Lähmungen führen. Diese betreffen häufig die Extremitäten. Der Befall der Atemmuskulatur ist tödlich, dies führte zu den ersten maschinellen Beatmungsverfahren. Auch Jahre nach einer Infektion kann die Krankheit wieder auftreten.

Das Virus wird meist durch Schmierinfektion (Urin oder Stuhl) übertragen, aber auch Tröpfcheninfektionen sind möglich. Der Mensch ist sein einziger natürlicher Wirt.

Seit den 1950er Jahren sind Impfstoffe gegen Polio verfügbar. Die Erkrankungszahlen sind seitdem stark rückläufig. Die WHO plante 2013, Polio bis zum Jahre 2018 ganz auszurotten.

Überwiegend sind Kinder im Alter zwischen drei und acht Jahren, gelegentlich auch ältere Personen bis ins Erwachsenenalter betroffen. Für diese Viruserkrankung gibt es keine ursächliche Behandlung. Aufgrund der konsequenten Impfung gilt Polio heute in Deutschland offiziell als „ausgerottet“.

In über 90 Prozent der Fälle verläuft die Infektion asymptomatisch (ohne Krankheitsanzeichen), so dass auch von keinem Krankheitsverlauf gesprochen werden kann. Stattdessen kommt es – vom Infizierten unbemerkt – zur Bildung von Antikörpern und damit zu einer sogenannten stillen Feiung.

Spätkomplikationen

Normalerweise bilden sich die Symptome innerhalb eines Jahres zurück, jedoch können Lähmungen, Durchblutungs- und Hauternährungsstörungen als Dauerschaden zurückbleiben. Auch Gelenkschäden aufgrund der Lähmungen und der veränderten Statik wie Skoliose der Wirbelsäule und Fußdeformitäten stellen bleibende Beeinträchtigungen dar. Ein gebremstes Längenwachstum einzelner betroffener Extremitäten kann das Kind im Wachstum zum Invaliden machen. Nach Entfieberung ist zunächst kein weiteres Fortschreiten der Lähmungen zu erwarten. Teilweise erst Jahre oder Jahrzehnte nach der Infektion tritt aber noch das Post-Poliomyelitis-Syndrom als Spätfolge auf. Dessen Symptome zeigen sich in extremer Müdigkeit, Muskelschmerzen und Muskelschwund in neuen und früher schon betroffenen Muskeln, Atem- und Schluckbeschwerden. Diese Spätkomplikation scheint eher die Regel als die Ausnahme zu sein.

 

Vorkommen

Nach heutigen Erkenntnissen existierte Polio bis 1880 als endemische Krankheit. Erst ab etwa 1880 trat diese Infektionskrankheit in epidemischer Form auf, die jährlich tausende Menschen betraf. Darunter waren vor allem Kinder, die daran verstarben oder dauerhaft mit körperlichen Folgeschäden leben mussten. Ab etwa 1910 wurden in Europa und den Vereinigten Staaten regionale Epidemien in einem Turnus von etwa fünf bis sechs Jahren beobachtet. Zu den bekanntesten Opfern einer solchen Epidemie zählt der US-amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt, der die Forschung nach einem Impfstoff während seiner Präsidentschaft wesentlich förderte.

2010 kam es zu einem schweren Ausbruch in Tadschikistan, der auch nach Russland verschleppt wurde. Am 5. Mai 2014 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Ausbrüche von Poliomyelitis in mehreren Ländern, insbesondere in Kamerun, Pakistan und dem bürgerkriegserschütterten Syrien, sowie die aus diesen Ländern erfolgte Weiterverbreitung nach Äquatorialguinea, Afghanistan und dem Irak zu einem „außerordentlichen Ereignis“, das dringend weitere koordinierte Maßnahmen erfordere, um ein weltweites Wiederaufleben dieser Erkrankung zu verhindern.

Anfang September 2015 meldete die WHO zwei Fälle von Polio bei Kindern im Südwesten der Ukraine und damit in Europa. Dies ist ein Rückschlag auf dem Weg zur weltweiten Ausrottung. Es besteht ein hohes Risiko, dass sich die Krankheit in diesem Land verbreitet, da dort nur 50 % der Kinder gegen Kinderlähmung geimpft sind. Wegen besserer Impfraten besteht wenig Risiko für die Nachbarländer Rumänien, Polen, Ungarn und die Slowakei.